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Oct 19, 2015

Überflieger Pascal Wehrlein – Ein eiskalter Champion

Rein sportlich gesehen ist es wohl der schönste Geburtstag, den Pascal Wehrlein in seinem Leben gefeiert hat. Viele gab es von diesen in seinem Leben noch nicht. Umso erstaunlicher ist es, dass der Wornsdorfer am 18. Oktober, an seinem erst 21. Geburtstag, den Pokal für den Gesamtsieg der DTM-Saison 2015 in Empfang nehmen durfte. Als er als Achter im Samstagsrennen in Hockenheim die Ziellinie überquerte und den Titel sicher hatte, ließ er seinen Emotionen im Cockpit freien Lauf: “Jaa! Jaaaaa! Jaaaaaaaa! Wir haben es geschafft! Ich danke euch allen für das beste Jahr!” Er drehte Jubel-Donuts vor den Tribünen, stieg aus dem Auto und ließ sich ausgiebig von den Fans feiern und nahm sich für diese auch nach dem großen Finale im Fahrerlager sehr viel Zeit.

Für Wehrlein schon äußerst ungewohnte Gefühlsausbrüche. Wann immer der Youngster aus seinen Mercedes-AMG C 63 DTM in dieser Saison ausstieg, wirkte er meist, trotz seines Alters, gefasst. Erfolg oder Misserfolg – sein Gesichtsausdruck lieferte kaum Hinweise über den Ausgang des zurückliegenden Laufs. Wehrlein verhielt sich in der Regel so, wie ihn Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff vor seinem ersten DTM-Rennen im Jahr 2013 beschrieb: “Eiskalter Blick, eiskalter Charakter – ein cooler Typ.” Eigenschaften, die ihm nicht nur in dieser überaus erfolgreichen Saison zugute kamen. Trotz der scheinbar übermächtigen Audi zu Saisonbeginn, trotz Rückschlägen zur Saisonmitte, trotz so manchem Gerangel auf der Strecke – Wehrlein blieb gelassen und verfolgte sein Ziel verbissen und entschlossen weiter. Nach 18 Rennen hat er es erreicht und darf sich absolut verdientermaßen als jüngster Champion der DTM-Geschichte feiern lassen.

“Vor der Saison konnten wir mit einem solchen Ergebnis nicht rechnen”, sagte Ulrich Fritz, Mercedes-AMG DTM Teamchef. “Gratulation an Pascal, er ist eine unglaubliche Saison gefahren.” Auch Formel 1-Pilot Nico Rosberg schloss sich den Glückwünschen an: “Nach den schwierigen vergangenen Jahren ist das Ergebnis von Pascal ein echter Paukenschlag – eine Riesenleistung.” Seine Konkurrenten zeigten sich ebenfalls von den Leistungen beeindruckt. BMW-Pilot Maxime Martin: “Er war eigentlich in jedem Rennen sehr schnell und hat den Titel verdient gewonnen. Meinen Glückwunsch.” Zu seinen mutmaßlich bevorstehenden Wechsel in die Formel 1 sagte Mattias Ekström: “Natürlich wäre es schön, sich im nächsten Jahr auf der Strecke wiederzusehen. Aber, wäre ich in Pascals Alter und hätte sein Talent, würde ich mir diese Chance wohl nicht entgehen lassen.”

Pascal Wehrlein erblickte am 18. Oktober 1994 in Sigmaringen das Licht der Welt. Mit elf Jahren trat er in der Motorsportwelt erstmals in Erscheinung – in dem für Rennfahrer schon fast obligatorischen Kartsport. Sein Talent war auf Anhieb unverkennbar, der ganz junge Wehrlein ließ es auf den Rennstrecken gehörig krachen. In seiner zweiten kompletten Kartsaison wurde er mit zwölf Jahren als ‚DMV Kartfahrer des Jahres’ ausgezeichnet, einen Titel den er in der Folgesaison erneut erhielt. Im Jahr 2009 vergrößerte sich die Trophäensammlung des damals 14-Jährigen weiter: Er sicherte sich die DMV Kart-Meisterschaft, gewann die ADAC Formel Masters Sichtung und belegte beim ADAC Kart Masters den fünften Platz. Keine Frage, Wehrlein war bereit für den nächsten Schritt, tat diesen im ADAC Formel Masters und überzeugte: In seiner Premierensaison 2010 belegte er Platz sechs, ein Jahr später sicherte er sich mit acht Saisonsiegen den Titel. Beachtliche Erfolge, die mit dem Aufstieg in die Formel 3 Euroserie belohnt wurden. Im Dallara Mercedes vom Team Mücke Motorsport sorgte er auch dort für Furore, gewann ein Rennen, fuhr neun weitere Male aufs Podium, wurde Vizemeister und bester Rookie.

Als Ralf Schumacher im Vorfeld der Saison 2013 überraschend seinen Dienst in der DTM quittierte, war die Chance für Wehrlein gekommen, den freigewordenen Platz im Mercedes-Cockpit zu füllen. Am 5. Mai 2013 begann er damit, sich in den Geschichtsbüchern zu verewigen. Bei seinem ersten Start war der Wornsdorfer 18 Jahre und 198 Tage alt und damit der jüngste DTM-Fahrer aller Zeiten, knapp dreieinhalb Monate später schaffte er es auf dem Nürburgring erstmals in die Punkte – Platz zehn. In der Folgesaison zeigte seine Formkurve weiter steil nach oben: am Lausitzring sicherte er sich am 14. September 2014 die erste Pole-Position und holte sich anschließend seinen ersten Sieg – jeweils als jüngster Fahrer der DTM-Historie. Insgesamt sammelte er in seinem zweiten Jahr 46 Punkte, belegte in der Gesamtwertung den achten Platz und war somit zweitbester Mercedes-Benz-Pilot.

Doch Wehrlein ist nicht der Typ, der sich mit mittelmäßigen Ergebnissen zufrieden gibt. Er wollte mehr und unterstrich dies gleich im Auftaktrennen der Saison 2015. Wehrlein fuhr zwischen die zu Saisonbeginn bärenstarken Audis auf den zweiten Platz – eine sinnbildliche Begebenheit für die weiteren 17 Rennen. Immer wieder kam es zum Duell zwischen den Ingolstädtern und den Stuttgartern. Obwohl Audi diese meist für sich entschied, machte Wehrlein von Rennen zu Rennen Plätze in der Gesamtwertung gut. Grund dafür war seine beeindruckende Konstanz, deren Grundstein in den stets guten Qualifying-Ergebnissen gelegt wurde: in 15 von 18 Rennen fuhr Wehrlein in die Top-Ten, entschied die Samstagsrennen am Norisring und in Moskau für sich und kam lediglich am Sonntag in Spielberg nicht ins Ziel. Der unverschuldete Ausfall spornte den Youngster jedoch nur noch mehr an. 27 Tage später schlug er in Moskau mit seinem Sieg zurück, sicherte sich die Gesamtführung und gab sie nicht mehr her.

Das große Finale geriet für das Geburtstagskind zum großen Schaulaufen. Wehrlein: “Ich habe mich so auf dieses Rennen gefreut. Die ganze Saison steht man unter Druck. Das Finale war der erste Lauf seit Ewigkeiten, den ich mal ohne Druck fahren konnte. Trotzdem wollte ich natürlich das Maximum herausholen.” Typisch Wehrlein eben. Völlig untypisch: Wehrlein beendete das letzte Rennen des Jahres auf dem 20. Platz – sein schlechtestes Saisonergebnis. Mit 169 Punkten beendet der Wornsdorfer die Saison 2015 und verwies die Audi-Konkurrenten Jamie Green (150 Punkte) und Mattias Ekström (147 Punkte) auf die weiteren Plätze. Ein grandioses Jahr, das für den 21-Jährigen in seiner Karriere nicht das letzte gewesen sein dürfte.

Photo Source: Daimler